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Donnerstag, 27. September 2018

[Buchrezension] "Der Junge im gestreiften Pyjama" von John Boyne


- Fischer Taschenbuch Verlag
- 2006 erschienen
- 266 Seiten
- übersetzt von Brigitte Jakobeit

Inhalt
Bruno ist neun Jahre alt und Sohn eines Soldaten im Zweiten Weltkrieg, der zum Führungsstab gehört und mit seiner Familie in ein Haus nahe des Konzentrationslagers Auschwitz zieht. Bruno geht eines Tages am Zaun entlang und trifft auf Schmuel, einen jüdischen Jungen...

Meinung
Viele sind von diesem Buch begeistert und es stand auf sage und schreibe drei meiner Bücherlisten von Büchern, die man mal gelesen haben sollte. Ich hatte also gehofft, ein (Jugend-)Buch in Händen zu halten, das mich zum Nachdenken anregen würde, weil es den Ernst des Zweiten Weltkrieges einfange. 

Leider, leider war das überhaupt nicht der Fall. Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen, weil es eine relativ große Schrift hat und weil ich es tatsächlich irgendwann nur noch "hinter mich bringen" wollte. 

Bruno ist neun Jahre alt und naiv wie ein Fünfjähriger. Er geht nicht zur Schule, erhält stattdessen später nur Hausunterricht und hat keine Ahnung, was um ihn herum geschieht. Am Anfang fand ich das noch in Ordnung, er spielt mit seinen Freunden und muss eines Tages mit der Familie nach Auschwitz umziehen, was ihn seine Freunde vermissen lässt. Die ständigen Wiederholungen in dem Buch haben meinen Lesefluss gestört.

Aber diese Naivität hat mich in den Wahnsinn getrieben. Ich wollte Bruno die ganze Zeit schütteln und das Buch gegen die Wand werfen. Für neun Jahre ist der Protagonist regelrecht dumm. Mir ist klar, dass er vom Autoren wohl als Sinnbild gemeint ist für alle Menschen damals, die nicht wahrhaben wollten, was um sie herum geschieht. Trotzdem passt zu Brunos Reife eher ein Alter von fünf.

Er spricht Dinge wie "Führer" und "Auschwitz" falsch aus ("Furor" und "Aus-Wisch"). Da ich zuvor wusste, worum es in dem Buch geht, kam ich schnell hinter die wahren Begriffe. Andere Leser bleiben wohl ein paar Seiten länger verwirrt. Diese Unrichtigkeiten hätte der Vater meiner Meinung nach, wenn er zum Führungsstab unter Hitler gehörte, niemals hingenommen, wie er das im Buch tut. Aber das ist nicht das Einzige, was unrealistisch ist. Der Protagonist kann meiner Ansicht nach gar nicht so unwissend sein, wenn sein Vater eben jene Position einnimmt. Das passt für mich alles nicht zusammen. Auf mich wirkte alles zu oberflächlich und überhaupt nicht recherchiert.

Die fiktive Geschichte kann so niemals stattgefunden haben. Natürlich hat jeder Autor das Recht auf künstlerische Freiheit und Fantasie. Aber bei einem Thema wie dem Zweiten Weltkrieg gibt es für mich persönlich keinen Grund, etwas zu verharmlosen und genau das wird hier getan. Bruno und Schmuel treffen sich täglich (!) am Zaun und niemand, kein einziger Soldat bekommt etwas davon mit? Die Handlung ist unrealistisch und damit für mich in diesem Fall sogar unglaubwürdig. Ich habe schon einige Bücher (auch Sachbücher) zum Thema Zweiter Weltkrieg etc. gelesen und bin von "Der Junge im gestreiften Pyjama" enttäuscht. Selbst den Titel halte ich für umstritten, weil er ebenso verharmlosend ist wie der Inhalt. 

Das Buch wird als Fabel bezeichnet, was zum Teil zwar für mich nachvollzogen werden kann, andererseits aber auch nicht. Das Buch hat immerhin ein besonderes Ende, das ich nicht ganz schlecht fand, aber ich hätte mir doch insgesamt etwas anderes gewünscht. 

Das Buch steht sogar teilweise als Schullektüre auf dem Lehrplan und darüber kann ich nur den Kopf schütteln. Es gibt wahrlich viel bessere Bücher zu diesem Thema!

Bewertung

2 Kommentare:

  1. Hallo Melli,

    auch wenn ich es natürlich Schade finde, dass du einen Leseflop hattest, bin ich auch ein bisschen erleichtert, weil wir ähnliche Kritikpunkte haben.

    Mit Bruno kam ich auch so überhaupt nicht klar. Wenn man nicht gerade einen ausgewachsenen Sprachfehler hat, dann sollte man mit 9 Jahren "Führer" korrekt aussprechen können. Und auch sonst, stimme ich dir zu. Sein Verhalten, seine Naivität... ne.

    Einzig und allein beim Ende sind wir uns nicht einig, weil ich das richtig gut fand. Auch wenn das nicht gerade nett ist, hatte ich so einen Gedanken von "Da siehst du mal wie das ist" und "Das hat der Vater verdient". Ich weiß nicht, ich fand den Kniff irgendwie gelungen. Vielleicht auch, weil ich damit mal so gar nicht gerechnet habe.

    Insgesamt seh ich das aber absolut wie du. Keine Ahnung was daran alle finden.

    Liebe Grüße
    Julia

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  2. Hey Julia,
    ich kann Deine Meinung zum Ende nachvollziehen. Klar hat der Vater das verdient. Aber Bruno hat meiner Meinung nach bis zur letzten Sekunde nicht kapiert, was eigentlich Sache ist. Ich glaube, er hat erst zum Schluss (quasi nach dem Ende des Buches) etwas verstanden. Und das ist eindeutig viel zu spät. Deshalb konnte das Ende bei mir auch nichts mehr retten.
    Aber zum Glück gibt es viel bessere Bücher zu dem Thema, zu denen man eher greifen sollte.
    Die positiven Stimmen zu diesem Buch kann ich null nachvollziehen. Vielleicht wenn man noch nichts zum Zweiten Weltkrieg gelesen hat - aber nicht mal da. Nee. Keine Ahnung.
    Liebe Grüße Melli

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