- btb Verlag
- 1997 erschienen
- 570 Seiten
- übersetzt von Gisela Stege
Triggerwarnungen*: Alkoholmissbrauch, sexueller Missbrauch/sexuelle Belästigung/Vergewaltigung
Inhalt
Erzählt wird die Geschichte von Chiyo, die als Kind verkauft wird und später als Geisha arbeitet.
Anmerkung
In diesem Buch wird der Beruf der Geisha massiv verfälscht. Geishas sind Unterhaltungskünstlerinnen und das hat absolut nichts mit Prostitution o. ä. zu tun, was leider immer noch angenommen wird (auch ich hatte ein falsches Bild davon). Auch Traditionen/Bräuche werden falsch dargestellt. Ein Beispiel werde ich in meiner Rezension als geschwärzten Spoiler nennen und ausführen.
Das möchte ich voranstellen, denn ohne meine Recherche hätte ich ein völlig falsches Bild von Geishas und der japanischen Kultur gehabt. Ich möchte vermeiden, dass falsche Erwartungen an das Buch bestehen. Es gibt NICHT die Realität wieder und eignet sich in meinen Augen deshalb auch nur bedingt als Informationsquelle.
Meinung
In mir brodelt es. Deshalb wird es in dieser Rezension zum ersten Mal in einem Abschnitt Spoiler geben, die ich ausreichend markieren werde.
Beginnen wir mit dem Positiven: Der Schreibstil des Buches hat mir sehr gut gefallen. Ich mochte die Figuren, auch wenn sie mir bis zum Ende doch eher fern geblieben sind. Ich habe mit ihnen mitgefühlt, aber es entstand trotzdem keine wirkliche Nähe.
Trotzdem habe ich das Buch bis zur Hälfte sehr gerne gelesen und fand es durchweg interessant. Es gibt immer wieder japanische Begriffe, die kursiv gedruckt sind. Darüber bin ich gestolpert und habe angefangen, manches davon zu recherchieren.
Und es dauerte nicht lange, da habe ich herausgefunden, dass reale Traditionen und Bräuche doch arg verfälscht werden. Wir haben einen Roman vorliegen und natürlich sind weder Figuren noch Handlung real. Trotzdem habe ich erwartet, dass zumindest die japanischen Gegebenheiten richtig dargestellt werden. Denn ich wusste, dass der Autor selbst einige Jahre in Japan gelebt hat, dass er japanische (Kunst-)Geschichte studiert hat (da haben verschiedene Quellen Unterschiedliches behauptet) und angeblich hatte er seine Informationen aus erster Hand, nämlich von einer "echten" Geisha. Doch eben jene Frau hat ihn sogar u. a. wegen Rufschädigung verklagt. Das hatte nur zum Teil Erfolg, denn es gab wohl keine schriftlichen Beweise.
SPOILERWARNUNG ANFANG
IM NÄCHSTEN ABSCHNITT SIND GESCHWÄRZTE SPOILER ENTHALTEN
Das Buch enthält einige sexuelle Handlungen. Insbesondere die mizuage wird als Verkauf der Jungfräulichkeit an einen Meistbietenden dargestellt. Das Problem ist, dass der Autor zwei Traditionen miteinander vermischt. Die mizuage ist ein Ritual auf dem Weg von der Maiko (eine Geisha in der Ausbildung) zur Geiko (ausgebildete Geisha). Mit Sexualität aller Art hat das nichts zu tun! Da der Autor diese Tradition mit jener der Kurtisanen vermischt, entsteht ein völlig falsches Bild.
SPOILERWARNUNG ENDE
Nachdem ich das herausgefunden hatte, war ich extrem enttäuscht von dem Buch. Denn ich hatte die Erwartung daran, dass es mir die japanische Kultur ein bisschen näher bringen würde. Das hat es zwar auch getan, aber nachdem ich nun wusste, dass es auch völlig falsche Darstellungen enthält, konnte ich mir nicht sicher sein, dass die weiteren Ausführungen richtig, authentisch und realistisch seien. Das hat mir die Freude an dem Werk doch arg verhagelt.
Hinzu kamen dann noch die letzten Kapitel. Diese haben sich so für mich gezogen wie das ganze Buch zuvor nicht, was in meinem Lesefluss doch eher ungewöhnlich ist. Ich quälte mich eine halbe Nacht lang durch vielleicht 30 Seiten und musste immer wieder Pausen einlegen, weil meine Gedanken nach wenigen Sätzen jeweils abschweiften. Leider hat mir der Schluss nicht zugesagt. Es wird noch einmal sehr dramatisch, kitschig und vor allem unnötig (hier möchte ich nicht spoilern, deshalb lasse ich das so stehen).
Insgesamt begann das Buch für mich also wegen seines Schreibstils richtig gut. Wäre das so geblieben, hätte es vier von fünf Punkten von mir gegeben. Doch dann sind zwei Dinge passiert: Die letzten Seiten, die sich so arg für mich gezogen haben und gleichzeitig das Ende, das ich nicht mochte. Dafür gibt es einen Punkt Abzug.
Einen weiteren Punkt muss ich abziehen, weil japanische Traditionen und Bräuche vermischt und damit völlig falsch dargestellt werden. Auch wenn es sich um einen Roman handelt, empfinde ich das als schwerwiegend, denn viele Lesende feiern das Buch u. a. weil es ihnen die japanische Kultur nahegebracht hat - das aber eben ohne deren Wissen verfälscht. Wenn ich nicht selbst Recherchen eingeleitet hätte, wäre es mir ebenso ergangen.
Deshalb gibt es insgesamt zwei von fünf Herzen von mir. Schade!
Auf jeden Fall noch lesen werde ich "Die wahre Geschichte der Geisha" von Mineko Iwasaki, denn sie ist die Geisha, die Arthur Golden angeblich inspiriert und ihn u. a. wegen Rufschädigung verklagt hat.
Nicht ansehen werde ich mir dagegen den Film, denn da er logischerweise auf diesem Roman basiert, enthält er nach meiner Recherche auch die falschen Darstellungen.
Weitere Rezensionen
Ans Herz legen möchte ich Euch die Rezension von Gabriela vom
*Buchperlenblog*, denn sie hat auch das Werk von Mineko Iwasaki gelesen.
Und ich möchte Euch ausnahmsweise die Lektüre der 1- und 2-Sterne-Bewertungen beim großen A empfehlen, wenn Ihr eine weitere Quelle sucht für die verfälschten Darstellungen der Traditionen und Bräuche. Denn hier geht es nicht um den Verriss des Werkes, sondern meiner Meinung nach um fundierte Kritik am Inhalt.
Natürlich steht es Euch frei, auch die zahlreichen positiven Stimmen zum Buch zu lesen!
Bewertung♥♥
*Triggerwarnungen
sind meiner Meinung nach wichtig, deshalb werden sie ab sofort in
meinen Rezensionen erwähnt, um Leser:innen zu schützen. *HIER* sind meine Gedanken dazu
Schönen guten Morgen!
AntwortenLöschenJa, das war auch für mich eine "böse" Überraschung. Ich hatte mich ja vorher auch nicht so wirklich informiert und bin davon ausgegangen, dass wir hier reale Hintergrunde zur Kultur der Geishas erfahren. Ich war ja schon ein bisschen geschockt, wie das alles abgelaufen sein soll - und umso überraschter dann zu erfahren, dass das alles so gar nicht stimmt.
Das hat mir die ganze Geschichte dann auch etwas verleidet, denn klar: es ist ein fiktiver Roman, aber dennoch erwartet man hier, nachdem wie es präsentiert wird, einen gut recherchierten und realen Hintergrund. Das war schon echt schade.
Mir ging es ähnlich dass der Lesefluss ab der Hälfte abgeflaut ist und viele Passagen langatmig wurden. Ich kann deine Bewertung deshalb absolut verstehen!
Liebste Grüße, Aleshanee
Hey Aleshanee,
Löschenja, das war einfach richtig schade. Umso mehr freue ich mich nun aber auf das Buch von der "wahren" Geisha.
Denn von der Kultur her hat es mich schon neugierig gemacht. Aber ich möchte eben "die Wahrheit" lesen.
Freut mich, dass wir bei diesem Buch quasi auf einer "Wellenlänge" sind :-)
Liebe Grüße Melli
Die "wahre" Geschichte interessiert mich jetzt eigentlich auch, aber ob ich es in nächster Zeit lesen werde, weiß ich noch nicht...
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