- Heyne Hardcore Verlag
- 2020 erschienen
- 247 Seiten
- Originalsprache: Deutsch
Inhalt
Franka Frei hat ihre Bachelorarbeit zum Thema "Tabu und Menstruation" geschrieben. Sie reiste vier Monate lang mit einem Freund durch Pakistan, Indien, Bangladesch und Nepal, um Menschen zu treffen, die sich ebenfalls dafür einsetzen, dass die Menstruation enttabuisiert wird.
In diesem Sachbuch zeigt sie auf, welche Konsequenzen das Tabu der Menstruation für Umwelt, Wirtschaft und Geschlechtergleichheit hat.
Meinung
Der Titel mag im ersten Moment irritieren, denn wir sind es gewöhnt, dass die Periode doch eher tabuisiert ist, also quasi hinter geschlossenen Toilettentüren stattfindet. Menstruierende Personen* "fühlen sich nicht wohl", haben die "rote Tante zu Besuch", ihre "Erdbeerwoche" oder verstecken Tampon- oder Bindenpackungen im Supermarkt unter anderen Einkäufen, weil sie sich dafür schämen.
Sie schämen sich für eine völlig natürliche Körperfunktion, die darüber Auskunft gibt, dass ein menstruierender Körper gesund ist. Ohne diese Funktion würden wir alle gar nicht leben. Denn ohne Zyklus und damit ohne fruchtbare Tage könnten Frauen nicht schwanger werden. So viel zum Exkurs Biologie.
Ich nehme mich hier nicht heraus. Auch ich bin noch am Anfang, meine Scham abzulegen, darüber zu reden, die Enttabuisierung mitzutragen und zum Beispiel meinem Chef klar zu sagen, warum es mir mal "nicht gut geht" und ich mich nicht in der Lage fühle, (weiter) zu arbeiten.
Genau aus diesem Tabu müssen wir laut der Autorin herauskommen. Denn es ist nicht nur ein privates Problem, wenn wir uns in unserem Körper unwohl fühlen und im Boden versinken möchten, wenn irgendwo ein Blutfleck auftaucht, weil es ein "Malheur" gab. Vielmehr ist es ein gesamtgesellschaftliches Thema, wenn menstruierende Menschen beispielsweise ausgeschlossen werden, heilige Tempel zu besuchen oder - noch schlimmer - wenn in einigen Ländern mit Eintritt der Periode gar nicht mehr zu Schule gehen oder an ihren "Tagen" in der Schule fehlen, damit niemand merkt, dass sie ihre Periode haben. Sie verpassen somit jede Menge Unterricht und haben schlechtere Bildungschancen als nichtmenstruierende Menschen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Wirtschaft der entsprechenden Länder, weil die Arbeitskräfte fehlen, wenn menstruierende Menschen zu Hause bleiben.
Gesetze spielen hier ebenfalls eine Rolle, wenn wir zum Beispiel daran denken, dass auf Hygieneartikel bis 2024 (!) in Deutschland 19 % Umsatzsteuer galt, die erst dann auf 7 % gesenkt wurde. Anteil an dieser Steuersenkungen hatten menstruierende Menschen, die sich dafür eingesetzt haben.
Nicht zu vergessen ist auch der Müll, der bei vielen Hygieneartikeln anfällt, oft verbrannt oder in andere Länder verschifft wird, was ihn nicht von der Erde verschwinden lässt. Inzwischen gibt es Alternativen wie Stoffbinden, Menstruationstassen (die es bereits seit den 1930er Jahren gibt!) oder auch Periodenunterwäsche. Letztere ist für mich zum absoluten Gamechanger geworden und ich möchte sie nicht mehr missen.
Neben den Einblicken in ihre Reise und ihren Treffen mit anderen Aktivist:innen gegen das Menstruationstabu, die ich sehr spannend und interessant fand, lässt die Autorin auch eigene Erfahrungen einfließen. Schlimm fand ich hier den Termin beim Gynäkologen. So ein Arzt sollte nicht praktizieren dürfen!
Da das Buch verschiedene Blickwinkel auf die Periode wirft, werden viele Themengebiete nur oberflächlich angeschnitten. Das fand ich persönlich nicht schlimm, weil ich mich schon länger mit dem Thema der Periode, ihrem Tabu und auch Dingen, die damit zusammenhängen, beschäftige. So ist mir zum Beispiel die Anatomie der Vulva geläufig. Andere Lesende werden wohl überrascht sein, wie groß die Klitoris tatsächlich - im Inneren des Körpers verborgen - ist.
Statistiken und Fakten werden sehr flüssig zu lesen eingebracht. Das hat mir richtig gut gefallen. Insgesamt ist es ein wichtiges Buch meiner Meinung nach, das vor allem auch jüngere menstruierende Personen lesen sollten.
Traut Euch, redet darüber und schämt Euch nicht für Eure Menstruation!
Bewertung♥♥♥♥
*Ich werde nicht müde zu betonen, dass nicht nur Frauen menstruieren. Auch trans Männer zum Beispiel tun es und somit werde ich nicht von Frauen sprechen, sondern von menstruierenden Menschen. Wer ein Problem damit hat, möge in Sachen Toleranz/Respekt/Queerfreundlichkeit nachsitzen.
Hi Melli,
AntwortenLöschendas Buch habe ich auch schon ewig auf der Wunschliste... Vllt sollte ich es auch mal in der Bib suchen. :) Ich bin auch noch dabei, zu lernen, offen über meine Periode zu sprechen. Nun hatte ich aber auch das "Glück" durch Schwangerschaft und Stillzeit ganze 2 Jahre verschont zu sein. Tatsächlich beste Zeit meines Lebens. Habe seit der Pubertät so Probleme mit meinem Zyklus und den "Nebenwirkungen"... und die Lösung der Gyns ist immer nur die Pille, yay... :(
LG Alica
Hey Alica,
Löschenich hatte das Buch auch schon ewig auf der Wunschliste. Letztens ist es mir zufällig wieder irgendwo angezeigt worden und ich habe es dann recht schnell geliehen und gelesen.
Oh, das kann ich gut nachvollziehen. Ich hab auch immer ein bis zwei Wochen richtig schlimm PMS (vor allem Stimmungsschwankungen, Selbstzweifel etc.) und dann zwei Tage Schmerzen. Ohne Schmerzmittel geht es nicht. Aber die Pille möchte ich auch nicht nehmen, insbesondere wegen der möglichen Nebenwirkungen beim Absetzen später.
Inzwischen habe ich mich aber ganz gut damit arrangiert. Seitdem ich Periodenunterwäsche nutze, geht es mir gefühlt besser. Ich fühle mich wohler in meinem Körper und scheine etwas weniger Krämpfe zu haben, als wenn ich etwas in mich einführe. Ich habe die Tage auch tatsächlich um einen Tag verkürzt, weil alles "abfließen" kann und nicht im Körper gestaut wird. Außerdem fallen die Nachteile von Tampons weg (damit bin ich irgendwie nie so richtig klargekommen, ich brauchte immer "doppelte Absicherung" ^^).
Ich hoffe, dass auch Du Deinen Weg findest mit der Periode. Jeder Körper ist ja auch anders.
Das Buch kann ich auf jeden Fall empfehlen, auch wenn es eher um Enttabuisierung/Wirtschaft/Gesellschaft geht :-)
Liebe Grüße Melli