- 4th ESTATE Verlag (Harper Collins Publishers)
- 2020 erschienen
- 369 Seiten
- Originalsprache: Englisch
Triggerwarnung*: sexueller Missbrauch
Inhalt
Vanessa ist 32 Jahre alt, als sie erfährt, dass eine Schülerin ihren ehemaligen Englischlehrer des sexuellen Missbrauchs anklagt. Sie beginnt, über ihre eigene Beziehung zu ihm zu reflektieren. Denn mit 15 Jahren schlief sie zum ersten Mal mit ihm. Aber war es wirklich Liebe?
Meinung
Ausnahmsweise habe ich die Triggerwarnung nicht geschwärzt, denn das ganze Buch handelt zentral vom sexuellen Missbrauch. Das sollte man unbedingt wissen, damit man sich darauf einstellen kann. Wichtig ist, dass man hier keine Liebesgeschichte erwartet.
Das englische Cover ist sehr gelungen, denn während auf der Vorderseite offene Haare zu sehen sind, sind diese auf der Rückseite zu einem Zopf geflochten.
Ich habe entschieden, das Buch auf Englisch zu lesen, was ein Volltreffer war. Es ist leicht verständlich geschrieben und trotz des schweren Themas bin ich nur so durch die Seiten geflogen. Ich habe nur unwesentlich langsamer gelesen als in meiner Muttersprache. Der Schreibstil hat mir richtig gut gefallen. Die Autorin findet die richtigen Worte für schwierige Situationen und Szenen. Dabei geht die Autorin ins Detail, was man aushalten können - oder eben nicht lesen - sollte.
Das Buch ist in der Ich-Perspektive von Vanessa geschrieben. Dadurch bekam ich ihre Gedanken und Gefühle sehr nah mit und habe mit ihr mitgefühlt. Manchmal wollte ich sie aber einfach nur schütteln. Das liegt vor allem daran, dass sie vieles in ihrer Erinnerung verdrängt/beschönigt/bagatellisiert und idealisiert, was eindeutig anders abgelaufen ist. Ich hatte hier als Leserin die verschiedenen Zeitstränge 2000 (15 Jahre alt), 2007 (22 Jahre alt) und 2017 ("heute", 32 Jahre alt) als Anhaltspunkt. Durch das Hin- und Herspringen in der Zeit gibt es in der Mitte einen Wendepunkt, der für den Spannungsbogen meines Erachtens zeitlich zu früh kam. Es wurde damit etwas vorweggenommen, was ein bisschen schade war. Ich habe die ganze Zeit Vanessas innere Zerrissenheit gespürt, was die Autorin gut gemacht hat. Spannend fand ich in diesem Zusammenhang, dass sie meint, kein Opfer zu sein, da sie sich nicht als solches sieht.
Interessant fand ich auch die Rolle der Eltern von Vanessa und von Mitschüler:innen usw. Die meisten bleiben sehr passiv, obwohl viele etwas mitbekommen haben. Dieses Thema wird am Ende vertieft, was ich wichtig fand. Denn dadurch bekommt das Buch auch eine gehaltvolle Aussage.
Mein einziger Kritikpunkt an diesem Roman ist, dass er "Lolita" von Vladimir Nabokov spoilert. So etwas finde ich immer schade, da Autor:innen nicht abschätzen können, ob Lesende tatsächlich jedes bekannte Werk schon gelesen haben oder dies möglicherweise noch vorhaben.
Ansonsten ein sprachgewaltiges Debüt mit wichtigem Thema, das mich bewegt, berührt und nachdenklich zurückgelassen hat. Ich freue mich auf weitere Werke der Autorin.
Bewertung♥♥♥♥♥
*Triggerwarnungen
sind meiner Meinung nach wichtig, deshalb werden sie ab sofort in
meinen Rezensionen erwähnt, um Leser:innen zu schützen. *HIER* sind meine Gedanken dazu
**unbezahlte Werbung**
Oh, liebe Melli
AntwortenLöschenIch bin ganz überrascht, dass dir das Buch so gut gefallen hat, ich habe fast nur mittelmässige Rezensionen gelesen. Spannend, wie unterschiedlich die Geschmäcker sind. Für mich wäre das Buch nichts, aber es freut mich, dass es dich berührt hat.
Alles Liebe an dich
Livia
Hey Livia,
Löschendanke Dir :-) Wahrscheinlich lag es daran, dass ich es in der Originalsprache gelesen habe. Denn von meiner Begeisterung abgesehen, endlich wieder auf Englisch zu lesen, hat es mich doch trotz dass es nicht in meiner Muttersprache geschrieben ist, tatsächlich berührt, nachdenklich gestimmt und genau den richtigen Ton getroffen.
Manchmal kann eine Übersetzung einen Text verändern, auch wenn sich die Übersetzer:innen immer/meistens große Mühe geben. Ich kenne die Übersetzung nun nicht, aber möglicherweise hätte es mir übersetzt nicht so gut gefallen, wer weiß.
Liebe Grüße Melli